Der Hinweis auf die US-amerikanischen Ölinteressen am Persischen Golf und am Kaspischen Meer ist richtig – und reicht dennoch nicht aus. Die Krise des Kapitalismus geht weitaus tiefer: Nicht nur die Profitrate sinkt (was durch Bilanzfälschungen eine Zeitlang überspielt wurde), auch das Geld will seine Rolle als «allgemeines Wertäquivalent» (Marx) seit der Aufhebung der Goldbindung nicht mehr so richtig spielen.
Der Vortrag setzt bei den US-amerikanischen Besatzungsplänen für den ein, klärt den Zusammenhang zwischen Bush-Administration und Öl-Multis, leitet den Zusammenhang zwischen Wirtschaftskrise und Kriegsgefahr im Sinne von Rosa Luxemburg her und untersucht, ob an Däubler-Gmelins Vergleich zur Kriegsökonomie des Nazis nicht doch etwas dran sein könnte.
Meine These: Bush und Greenspan müssen dasselbe fürchten wie Hitler und dessen Zentralbanker Schacht: daß die inflationäre Geldblase nur solange nicht platzt, wie ihre Armeen von Sieg zu Sieg eilen. Für den Dollar (und dollarnominierte Wertpapiere) gilt heute, was für die Reichsmark im Zweiten Weltkrieg galt: Die Anleger glauben den aufgedruckten Wert, solange jedermann jederzeit und an jedem Ort mit militärischer Gewalt gezwungen werden kann, die Papierschnipsel in Waren einzutauschen. Bringen die USA die Ölreserven des Irak, die zweitgrößten der Welt, unter ihre Kontrolle, wird das die Bonität ihrer Nationalökonomie (nicht nur die der unmittelbar profitierenden Ölkonzerne) bedeutend erhöhen. Werden die Armeen aber geschlagen, bricht eine gigantische Geldentwertung aus.
Die von den Deutschen geführten Europäer sind in der Zwickmühle. Einerseits müssen sie die Kriege der USA unterstützen, damit der Dollar stabil bleibt. Da die deutsche Austeritätspolitik schon seit Mitte der achtziger Jahre zu einer Schwächung des Binnenmarktes geführt hat und mit den Maastricht-Kriterien dieser Kurs für den gesamten Euro-Raum obligatorisch wurde, ist der nordamerikanische Exportmarkt für die Europäer unverzichtbar. Wer soll ihnen ihre Waren abkaufen, wenn der Greenback keine Kaufkraft mehr hat, sondern nur noch zum Feueranzünden taugt? Die transatlantische Allianz ist kein Resultat europäischer Unterordnung, sondern, vor allem von deutscher Seite, kühle Berechnung.
Dabei wissen die EU-Führer, daß das nicht ewig gut gehen kann: Je größer das US-Handelsdefizit wird, um so eher fliegt der Dollarschwindel auf, selbst wenn die Amerikaner siegreich bleiben. Soviel Kriege kann Bush gar nicht gewinnen, um sich etwa über ein jährliches Defizit von einer Billion US-Dollar hinwegzumogeln. So ist die EU einerseits vom Exportstaubsauger USA und der Kaufkraft des Dollar abhängig und sucht doch andererseits nach einer Alternative. Die könnte im Euro liegen, doch solange er nicht über dieselbe militärische Deckung wie der Dollar verfügt, wird er nur die Nummer zwei bleiben. Ein Euro ohne Euro-Armee und Euro-Atomwaffen ist keine Konkurrenz.
In jedem Fall sind weitere Kriege vorgezeichnet: entweder das gemeinsame militärische Vorgehen der EU mit den USA zur Stützung des Dollar oder das militärische Muskelspiel der Europäer gegen die USA zur Ablösung des Dollar durch den Euro. Wie man das Ding auch betrachtet, aus der Sicht der transatlantischen Freundschaft oder aus der Sicht der transatlantischen Rivalität: Immer sind es nicht nur die Yankees, sondern auch die Krauts und ihre Partner, die ein strukturelles Interesse am Krieg haben. Anders funktioniert der Kapitalismus nicht mehr.